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Aus einer Ecke des Foyers quillt ein Geräusch, das dich vage an einen Specht mit Ladehemmung erinnert, den du mal im bayrischen Wald getroffen hast. Die Wahrscheinlichkeit, in wildfremden Hochhausempfangsräumen auf alte Bekannte zu stoßen ist zwar nicht so hoch wie das amerikanische Außenhandelsdefizit, sie ist sogar ganz und gar überhaupt nicht so hoch, aber du spazierst trotzdem in Richtung der Krachecke los. Daselbst fällt dir unter all dem anderen Müll ein riesiger Haufen leerer Flaschen mit der Aufschrift "Obstwässerli" auf, was deine waldspechtmäßige Hoffnung deutlich steigen läßt. Die Klangqualität des Lärms steigert sich enorm, während du dich durchs Altglas vorarbeitest, aber das Wesen, das du schließlich freilegst, ist ganz bestimmt kein Specht. Du hegst eher den Verdacht, es könne in die Gattung des Homo Musicus einzuordnen sein. Für Laien hier einige kurze Auszüge aus Prof. Dr. Causas Essay über die Symptome des gemeinen Homo Musicus:
Der Organismus des H. M. ist in ganz erstaunlicher Weise auf sein Instrument ausgerichtet. Durch die völlige Fixierung auf die Bedienung desselben, das sogenannte "musizieren", haben sich im Laufe der Zeit alle überflüssigen Organe wie Magen, Lunge oder Gehirn bis auf unverzichtbare Rudimente zurückgebildet. Einzig die Leber erfreut sich bester Gesundheit, da die Nahrungsaufnahme auf ethylalkoholhaltige Substanzen oder auch substanzhaltigen Ethylalkohol beschränkt ist. ... Erscheinungsbild: eingefallene Wangen, ausgefallene Zähne, fiebrig glasige Augen oder auch nicht, verrottendes Äußeres ... beim Verlust des Instrumentes kommt es zu schwersten Entzugserscheinungen, die sich in drei Phasen gliedern lassen: in der ersten Phase erleidet ein seines Instrumentes beraubtes Individuum schwere Zitteranfälle und Heulkrämpfe. Außerdem verspürt es den Drang, ständig das Wort "Gurkensalat" vor sich hin zu murmeln. In der zweiten Phase, die gewöhnlich zwei bis drei Minuten später eintritt, verfaßt der Kranke einen formlosen Protestbrief an die Vereinten Nationen, der aber völlig sinnlos ist, da er nie mit einem Absender versehen wird. Weiterhin sind große blaue Wucherungen am ganzen Körper, klaffende Wunden, pausenloses Erbrechen und andere sekundäre Anzeichen zu beobachten. In Phase drei schließlich stirbt das Opfer, was in der Schulmedizin allgemein als Ursache für seinen Tod angesehen wird.
(Hat sich doch gelohnt, daß du den "Pschyrempel" geklaut hast! ) Das alles trifft auf den Typ vor deinen Füßen zu, der in diesem unglaublichen Sperrmüllhaufen rumsitzt; und außerdem drischt er wie ein wildgewordener Derwisch auf ein Pärchen Bongos ein. So fertig wie der aussieht, könnte er doch etwas über den UNENDLICHEN JOINT wissen?
Wirst du ihn mit einer Salve Ohrfeigen zur Besinnung bringen und verhören (weiter bei 266) oder hast du Schiß und schleichst dich (weiter bei 269)?